Flüsterbremsen

Umrüstung auf leise Güterwagen (Flüsterbremsen)

Die Hauptlärmquellen von Güterwagen sind die Bremssohlen aus Grauguss. Bei jedem Bremsvorgang drücken die Bremsklötze aus Metall (Grauguss) auf die Laufflächen der Räder und verursachen dabei ein Aufrauen der Radlaufflächen. Die dadurch verursachten Unebenheiten führen zu lauten Rollgeräuschen während der Fahrt. 

Noch heute drücken Grauguss-Bremsklötze auf die Radlauffläche und verursachen Unebenheiten, die für den Schienenlärm ursächlich sind.

Lärm lässt sich am effektivsten dort verhindern, wo er entsteht: Direkt an der Quelle. Leise Bremstechnologien im Schienengüterverkehr sind deshalb die wichtigste Maßnahme zur Lärmminderung. Ihr großer Vorteil liegt darin, dass sie ihre Wirkung im gesamten Streckennetz entfalten. Das Rollgeräusch wird dabei etwa um 10 dB(A) reduziert, was einer Halbierung des Lärm entspricht.

Seit 2001 werden bei der DB Cargo neue Güterwagen nur noch mit leiser Bremstechnologie, der sogenannten K-Bremssohle (K steht für Komposit-Werkstoffe) beschafft. Ende 2015 waren über 10.000 Güterwagen mit leisen K-Bremssohlen im Einsatz. Bei Neuwagen ist diese Technik ohne Probleme unmittelbar einbaubar. Soll ein Bestandgüterwagen auf sie umgerüstet werden, muss dafür die gesamte Bremsanlage des Fahrzeuges umgebaut und je nach Wagenbauart neu zugelassen werden. Die Umrüstung auf die K-Bremssohle ist aufwendig und teuer. Sie kostet zwischen 5.000 und 7.000 € pro Güterwagen.

Mit der Zulassung der LL-Bremssohle (LL steht für „low noise, low friction“- wenig Lärm, wenig Abrieb) seit Juni 2013 wurde ein Durchbruch für die Umrüstung bestehender Güterwagen erreicht. Weil der Reibungskoeffizient dieser leisen Sohle mit dem der herkömmlichen Grauguss-Bremssohle vergleichbar ist, können die alten Grauguss-Bremssohlen bei Standardgüterwagen ohne weiteren Umbau 1 : 1 gegen die neue Verbundstoff-Bremssohle ausgetauscht werden.  Die Kosten liegen nur noch bei 1.700 € pro Güterwagen.

Auf dem Schienennetz in Deutschland verkehren etwa 180.000 Güterwagen. Ein Drittel, also rund 60.000 Wagen, sind im Besitz von DB Cargo, ein Drittel gehört deutschen privaten Wagenhaltern. Weitere 60.000 Wagen setzen ausländische Halter aufs Gleis.

Gesetz zum Verbot des Betriebs lauter Güterwagen

Mit der Veröffentlichung des Gesetzes zum Verbot des Betriebs lauter Güterwagen und zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes vom 20. Juli 2017 im Bundesgesetzblatt vom 28. Juli 2017 S.2804 ff wird nunmehr der Betrieb lauter Güterwagen mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2020 verboten. Einige wenige Ausnahmetatbestände lässt das Gesetz allerdings zu. Das Gesetz steht im Download-Bereich dieser Internetseite zur Verfügung.

Zum Stand der Umrüstung lauter Güterwagen auf leise Bremssohlen stellt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im Juli 2017 fest, dass zum 31.12.2016 44,2 Prozent der auf dem deutschen Schienennetz verkehrenden Wagen leise waren. Ende Mai 2017 waren bereits 47,3 Prozent der Güterwagen mit leisen Bremssohlen ausgestattet. Dem Eisenbahn-Bundesamt liegen mehr als 100.000 Anmeldungen zur Umrüstung für den Zeitraum von 2017 bis 2020 vor. Ab Dezember 2020 greift das im Schienenlärmschutzgesetz geregelte Fahrverbot für laute Güterwagen. Das bedeutet, dass ab diesem Zeitpunkt der Betrieb lauter in- und ausländischer Güterwagen auf dem deutschen Schienennetz untersagt sein wird. Nach der TSI Lärm sind die Grenzwerte für das Vorbeifahrgeräusch von Güterwagen auf 83 dB(A) bei 80 km/h begrenzt. Gemessen wird im Abstand von 7,5m von der Gleismitte und in 1,2m Höhe über der Schienenoberkante.

Förderung der Umrüstung auf leise Güterwagen

Das Förderprogramm des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur gewährt seit dem 9. Dezember 2012 Wagenhaltern, die ihre Güterwagen auf leise Bremstechnologien umrüsten, eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 0,005 Euro pro Achskilometer (maximal 211 Euro pro Achse). Der Bonus wird ausgezahlt, wenn der umgerüstete Güterwagen die Grenzwerte nach der „Technischen Spezifikation für die Interoperabilität (TSI) Lärm“ einhält und der Wagenhalter den Nachweis erbringen kann, dass die Wagenbremse nach dem 9. Dezember 2012 umgerüstet wurde. Dieses Förderprogramm ist auf acht Jahre angelegt und mit maximal 152 Millionen Euro ausgestattet.

Lärmabhängiges Trassenpreissystem

Flankierend zum Förderprogramm des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur hat die DB Netz AG zeitgleich das Lärmabhängige Trassenpreissystem (LaTPS) eingeführt, das ausschließlich Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) adressiert: Ziel ist es, einen ergänzenden finanziellen Anreiz zum Einsatz leiser Güterwagen zu bieten. Die EVU erhalten für den Einsatz eines jeden umgerüsteten Güterwagens einen laufleistungs-abhängigen Bonus in Höhe von 0,005 Euro pro Achskilometer (maximal 211 Euro pro Achse).

Zwei Anreizsysteme: Förderprogramm und Lärmabhängiges Trassenpreissystem

Für laute Güterzüge wird seit dem 1. Juni 2013 ein Zuschlag auf den regulären Trassenpreis erhoben, zunächst in Höhe von einem Prozent, seit Dezember 2016 beträgt dieser drei Prozent. Leise Güterzüge sind von diesem Zuschlag befreit, insofern die Güterzüge zu mindestens 90 Prozent aus leisen Güterwagen bestehen, die die Anforderungen der TSI „Noise“ erfüllen. Der Zuschlag wird im Förderzeitraum – also bis Ende Dezember 2020 – sukzessive weiter erhöht. Die Einnahmen aus dem LaTPS werden ausschließlich zur Finanzierung des Bonus verwendet, den die DB Netz AG im Rahmen des Förderprogramms auszahlt.

Zum Vergleich die Situation in der Schweiz:

Ende 2015 waren alle 9.500 schweizerische Güterwagen mit Grauguss-Bremsklötzen auf leise Verbundstoff-Bremssohlen umgerüstet. Die Kosten von 230 Mio. Franken hat die Schweiz finanziert. Für ausländische Güterwagen – also auch deutsche Güterwagen- läuft die Sanierungsfrist noch bis 2020. Verfügen diese dann nicht über den Schweizer Standard mit leisen Verbundstoff-Bremssohlen dürfen sie die Schweiz nicht passieren.

In der Schweiz werden auch die genauen Messwerte für die Lärmbelastung der einzelnen Bremstechnologie explizit genannt. Danach erzeugen alte Güterwagen mit Grauguss-Bremsklötzen bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h in 7,5 Metern Entfernung eine Lärmbelastung von 92 dB(A). Bei Verbundstoff-Bremssohlen werden 81 dB(A) erreicht. Bei Güterwagen der neueren Generation mit Scheibenbremsen werden nur noch 75 – 78 dB(A) gemessen.

So ist es auch das Fernziel in der Schweiz die Umstellung von Verbundstoff-Bremssohlen auf leise Scheibenbremsen. Hierzu gewährt die Schweiz eine finanzielle Förderung. Ersetzt ein privater Cargobetreiber die schon leisen Verbundstoff-Bremssohlen seiner Güterwagen durch noch lärmärmere Scheibenbremsen, so übernimmt die Schweiz maximal 50 v.H. der Differenzkosten für die Neubeschaffung des Drehgestells mitsamt den Rädern. Die Schweiz will hierfür von 2016 bis 2025 Investitionshilfen in Höhe von 30 Mio. Franken bereitstellen.

Modernes und leises Drehgestell: Radscheibenbremse, Gummifederung + hydraulische Dämpfung, 18 dB zu Güterzug -Y25 Drehgestell, weniger Erschütterungen dank Hydraulikdämpfer

Zur weiteren Begründung dieser Maßnahme wird angeführt, dass die Drehgestelle das Herz des Güterwagens sind, denn hier entsteht der Lärm sowohl durch die Räder als auch durch die Federung. Die Umstellung der Drehgestelle von Stahlfedern auf Gummifedern ist daher eine weitere wichtige Lärmminderungsmaßnahme. Das Gewicht eines voll beladenen Güterwagens kann bis zu 90 Tonnen betragen, so dass die Federn einiges aushalten müssen. Verbesserte Drehgestelle sind zudem nicht starr, sondern passen sich dem Schienenverlauf an und liegen daher besser im Gleisbogen. Dies vermindert einerseits den Schienenverschleiß und reduziert andererseits den Fahrlärm und die Traktionsenergie der Lokomotive.

Zu den Kosten der beiden Bremstechnologien wird ausgeführt, dass nach Berechnungen der TU Berlin Güterwagen mit Scheibenbremsen bei hohen Laufleistungen wirtschaftlicher sind, als Güterwagen mit Verbundstoff-Bremssohlen.

Quellen: Zusammengestellt vom Bündnis gegen Bahnlärm e.V., Am Steffen 40, 36251 Bad Hersfeld, nach Angaben des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur, des Eisenbahnbundesamtes, der DB Cargo, des Verbandes der privaten Wagenhalter und des Bundesamt für Umwelt der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

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